83 Wochen kein Schulunterricht in Uganda
24. Feb 2022
„Die Auswirkungen des Schul-Lockdowns in Uganda und in anderen afrikanischen Ländern sind verheerend. Hier muss sich die 'wertebasierte Entwicklungspolitik', von der im Koalitionsvertrag die Rede ist, beweisen. Millionen von jungen Menschen sehen sich ihres Rechts auf Bildung beraubt“, beklagt Maria Buchwitz, Sprecherin der pax christi-Kommission `Solidarität mit Zentralafrika´ und fordert die Bundesregierung auf: „Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) muss ein Sonderbudget auflegen, um die betroffenen Gesellschaften zu unterstützen. Dabei soll die Förderung der Schulbildung Priorität erhalten.“ Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen die Kinder und Jugendlichen in afrikanischen Ländern besonders hart. Der normale Schulbetrieb blieb in Uganda für insgesamt 83 Wochen eingestellt - die längste Schulschließung weltweit. Im März 2020 wurden in Uganda Schulen und Internate geschlossen. Den Kindern und Jugendlichen fehlte dadurch nicht nur Unterricht und Tagesstruktur, sondern auch die regelmäßige Mahlzeit, die dort angeboten wird. Von Mitte Oktober 2020 bis März 2021 durften lediglich die Abschlussklassen in Uganda endlich in die Schulen zurückkehren.
Buchwitz erläutert weiter: „Hinzu kommt, dass die Einkommen in Uganda seit Beginn des Lockdowns um ca. 60 % gesunken sind. Mit dem Verkaufsverbot landwirtschaftlicher und handwerklicher Erzeugnisse auf kleineren Märkten und an den Straßen und zunehmender Arbeitslosigkeit verloren viele Familien ihre Erwerbsquellen und sind nicht mehr in der Lage sich ausreichend zu ernähren. Vor allem die Ernährung der Kleinkinder ist massiv gefährdet. Nach offiziellen Angaben hatten zwei von zehn Kindern in Uganda in der Folge weniger als eine Mahlzeit pro Tag, was insbesondere durch den Ausfall der Schulspeisungen verursacht wurde. Besonders betroffen sind Mädchen und junge Frauen. Teenagerschwangerschaften sind in Uganda um ca. 90 000 zusätzlich angestiegen. Das bedeutet einen Zuwachs von etwa 20 %. Diese jungen Mütter müssen sich nach der Geburt um ihr Kind kümmern und können nicht wieder die Schule besuchen. Mädchen und junge Frauen sind in ihrem Kampf um Gleichberechtigung und wirtschaftliche Teilhabe durch die lange Schulschließung massiv zurückgeworfen. Dies wird deutliche Folgen für das Bruttosozialprodukt haben, sich aber auch in Bereichen wie Zwangsverheiratung und häuslicher Gewalt auswirken, woraus sich Frauen und Mädchen nur durch bessere Bildung befreien können.“
Im Januar 2022, zum Zeitpunkt der Wiedereröffnung der Schulen, bestand die Befürchtung, dass 3.500 Grundschulen wegen des katastrophalen Lehrermangels im Land nicht wieder würden öffnen können. Auch dies ist eine Folge der Pandemie, denn den ohnehin schlecht bezahlten Lehrer:innen wurden seit Beginn des Schul-Lockdowns keine Gehälter gezahlt. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, mussten sie sich andere Arbeit suchen. Gleichzeitig kehren aber auch viele Kinder nicht mehr in die Schulen zurück. Gründe sind, dass viele Eltern wegen der sinkenden Einkommen die Schulgebühren nicht mehr bezahlen können und die Kinder jetzt für den Lebensunterhalt der Familien mitarbeiten müssen.
Maria Buchwitz kommt zu dem Schluss: „Die lange Schulschließung hat für die gesamte Entwicklung Ugandas, insbesondere für den Bildungsbereich, verheerende Folgen. Dies trifft ebenso auf viele andere afrikanische Länder zu, die hinter bereits erreichte Ziele deutlich zurückfallen. Diese Länder brauchen dringend Unterstützung, damit wir nicht von einer verlorenen Generation sprechen müssen.“
Hintergrund
zur Situation in Uganda:
Die Regierung in Uganda verfolgte offiziell das
Ziel, den allgemeinen Schulbetrieb erst wieder aufzunehmen, nachdem alle
Lehrkräfte geimpft sind. Tatsächlich kommt das Impfprogramm gegen CoViD-19-Infektionen
nur sehr schleppend voran, was natürlich auch eine Folge des Impfnationalismus
der reichen Industrieländer ist. Derzeit sind etwa 4 % der ugandischen
Bevölkerung vollständig geimpft. Unter den Lehrer:innen liegt der Prozentsatz
etwas höher.
Gleichzeitig hatte im Frühjahr 2021 das Bildungsministerium strenge Hygienemaßnahmen als Voraussetzung für die Wiederaufnahme des regulären Schulbetriebs erlassen, sog. Standard Operating Procedures (SOP). Diese schreiben den Schulen eine ausreichende Menge von Wasserbehältern, Seife und Desinfektionsmitteln für alle Lehrer und Schüler vor; außerdem Schulbänke für nur je zwei Kinder (physical distancing). Die meisten Schulen sind nicht in der Lage, diese Standards zu erfüllen. Sie sind finanziell einfach nicht in der Lage, die dafür nötigen Anschaffungen zu tätigen.
Das öffentliche Bildungswesen in Uganda ist schwach aufgestellt. Die meisten Schulen werden privat betrieben. Bisher waren es etwa 85 % der 10-Jährigen in Uganda, die einen einfachen Satz nicht fließend lesen konnten – eine an sich schon erschreckend hohe Zahl, die auch etwas über die schlechte Qualität des Schulunterrichts aussagt. Dazu zählen allerdings auch alle die Kinder, die eine Schule nur kurz oder gar nicht besucht haben. Dieser Prozentsatz ist inzwischen auf 90 % angestiegen und ihre Fertigkeiten im Schreiben und Rechnen haben sich ebenfalls verschlechtert.